Abendzauber Ges-Dur, WAB 57 (1878)

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Abendzauber Ges-Dur, WAB 57 (1878)
"Der See träumt zwischen Felsen, es flüstert sanft der Hain"
Vierstimmiger Männerchor, Solostimme, 3 Jodlerstimmen ('Ferngesang'), 4 Hörner
Autor des Textes: Heinrich von der Mattig (Pseudonym für Heinrich Mattmann)


ED: Bearbeitung: Universal-Edition (Victor Keldorfer, 1911)
NGA: XXIII/2, Nr. 29 (Pachovsky-Reinthaler, 2001)

 

Die Solostimme und die Jodlerstimmen hat Bruckner nicht näher spezifiziert, worauf die NGA-Partitur ausdrücklich hinweist; nach Van Zwol, der Franz Bayer zitiert, habe Bruckner bei den Jodlerstimmen aber an Frauenstimmen gedacht - was insoweit einen Sinn macht, dass sich Frauenstimmen hier durch ihre höhere Stimmlage deutlicher gegen die Männerstimmen des Chors abheben und so zur klanglichen Vielfalt des Liedes beitragen (dankenswerter Hinweis von Réginald Hulhoven). Für die Solostimme wählt man meist einen Tenor oder einen Bariton. Bruckner schreibt im ersten Teil Liedes Brummstimmen vor; Keldorfer hat auch hier diese vom Chor schwierig zu realisierende Eigenheit getilgt; zur weiteren Unterstützung des Chores hat er extra Wiederholungen des charakteristischen Hornmotivs eingefügt, diese aber deutlich kenntlich gemacht, so dass wer will, Bruckner original singen kann.

Van Zwol Bruckner-Biografie 728


 


Überblick über die Aufnahmen

Ein sehr originelles und stimmungsvolles Lied, das allerdings durch die Anforderungen, die es an die interpreten stellt, selten zur Aufführung gelangt und nur wenige Aufnahmen zu bieten hat: es betrifft die etwas ausgefallene Besetzung und die Brummstimmen, wobei der Chor mit geschlossenem Mund summt, was bei p und pp angehen mag, aber bei ff und fff (T. 53-56) problematisch wird. Auf den Aufnahmen ist der Chor nicht immer deutlich zu hören, so dass ungewiss ist, was sie treiben...

Es gibt z.Z. nur vier Aufnahmen, und die Aufführungszeiten klaffen weit auseinander, von 04'59 bis 07'55. Bruckner verlangt "Langsam, feierlich, doch nicht schleppend".

Fairfax (1960) hat das "Langsam, feierlich" beherzigt; "schleppend" wirkt seine Interpretation auch nicht, obgleich der Solist schwerfällig und etwas altmodisch-pathetisch singt (der Doppelschlag T. 21 gelingt ihm nur teilweise); er hat die Neigung, die f-Stellen zu brüllen, und seine Aussprache des Deutschen ist mäßig. Der Chor brummt nicht, sondern singt eine Paraphrase des Textes. Die Zwiesprache zwischen den Fernstimmen und den Hörnern verläuft dagegen stimmungsvoll und bildet den Pluspunkt dieser Aufnahme, die aufnahmetechnisch leider nur mäßig abschneidet. Der Chor ist ab und zu ungleich, die Dynamik entspricht nicht immer der Partitur (so ist das pp in T. 73 eindeutig zu laut).

Beck (1994) braucht fast eine Minute weniger, seine Aufnahme klingt wesentlich leichter. Der Chor singt im ersten Teil stellenweise so leise, dass sich kaum entscheiden lässt, was er singt - ob er brummt oder nicht. Dagegen ist das ppp der Hörner (in T. 10 und 16) etwas zu laut im Vergleich zum ppp des Chores. Der Solist hält sich genau an die vorgeschriebene Dynamik; seine Stimme ist angenehm weich. Die Fernstimmen wirken als schöner Hintergrund-Effekt, die Hörner gestalten die Dynamik sehr subtil, spielen jetzt auf einmal ein wunderbares ppp (T. 58). Eine stimmungsvolle Aufnahme, die wo nötig sehr leise ist!

Die Aufnahme unter Seelig (1996) leidet unter demselben Problem wie die unter Fairfax: unter der Fehlbesetzung des Solisten, der mit seinem etwas pathetischen und vibratofreudigen Stil einem früheren Zeitalter angehört. Hinzu kommt, dass seine Aussprache sehr amerikanisch anmutet, was sich für ein deutschsprachiges Publikum als ästhetisch störend auswirken dürfte. Positiv ist, dass die Dynamik gut befolgt wird, auch von den Hörnern. Das Tempo mit 04'59 wird man wohl kaum als "langsam, feierlich" einstufen können, die von Bruckner angestrebte Naturstimmung will sich bei solcher Hatz kaum einstellen. Ein weiteres Manko ist die benutzte Erstdruckpartitur von Victor Kehldorfer: Die vielen Hornsignale scheinen eher zur Jagd als zu einer träumerischen Mondstimmung aufzurufen.

Schumachers Aufnahme (2011) ist eine ernste Konkurrenz für Beck. Er verfügt über den wohl besten Solisten, der subtil und geschmeidig seine Partie singt, während Beck das bessere Hornensemble hat - aber die Unterschiede sind minimal und/oder vielleicht nur subjektiv empfunden. Schumacher ist fast eine halbe Minute schneller als Beck, vielleicht dass letzterer deshalb etwas prägnanter klingt? Und Beck hat für die Jodlerstimmen Sängerinnen zur Verfügung... Die Zwiesprache zwischen Fernstimmen und Hörnern wirkt sehr romantisch, obgleich die Hörner im Verhältnis zum Chorklang zu laut klingen. Becks Hörner sind etwas subtiler, bei Schumacher wirken sie direkter. Zwei wunderbare Aufnahmen!

 


Rolf Beck
Markus Krause (Bariton)
Dagmar Gareis, Heide Hauser, Rosi Berger (Jodler), Süddeutsches Vokalensemble / Hornensemble Marie Luise Neunecker
Aufnahmedatum: 7+12.1994
Aufführungsdauer: *06'49
Ausgaben: CD: Koch Schwann 3 1398-2 H1

Josef Böck
Dritan Luca, Tenor
Wiener Vokalisten, Mitglieder des Wiener Staatsopernchores
Hornensemble der Wiener Symphoniker
Aufnahme: 2007
Aufführungsdauer: *05'44
Ausgabe: Video: YouTube 

Bryan Fairfax
Alfred Orda, Bariton
BBC Chorus (Leslie Woodgate), Hornsektion des London Symphony Orchestra
Aufnahmedatum: 4.9.1960
Aufführungsdauer: *07'55
Ausgaben: CD: Symposium Records 1423 (Szymanovsky - Bruckner - Schumann. A Choral Anthology)

André Kaart
Westfries Mannenkoor, unter Mitwirkung des Frauenensemble Westfrisia; Begleitung?
Aufnahmedatum?
Ausgaben: CD: Ausgabe des Chores (André's visite Kaart

Jan Schumacher
Christoph Prégardien (Tenor), Fernchor, Samuel Seidenberg, Michael Armbruster, Zia Richter-Sonnen, Thomas Sonnen (Hörner)
Camerata Musica Limburg
Aufnahmedatum: 18./19.6. + 29./30.2011
Aufführungsdauer: *06'21
Ausgaben: CD: Genuin GEN 12224 (Serenade. Songs of night and love)

Timothy Seelig
Timothy Jenkins (Tenor)
Turtle Creek Chorale / Fort Worth Symphony Brass
Aufnahmedatum: 15./16.6.1995
Aufführungsdauer: *04'59
Ausgaben: CD: Reference Recordings RR-67 (Times of the Day)

Alexander Strauch
Beatrice Greisinger von Lilamunde (Sopran)
Philhomoniker - Schwuler Chor München
Aufnahmedatum: 7.11.2008 Live (München, Altes Rathaus)
Fassung/Partitur: mit Klavierbegleitung (statt Hörner)
Aufführungsdauer: 05'41
Ausgaben: mp3: Website des Chores

Byung-moo Yoo
Korea Male Choir, Ebangel Female Choir
Aufnahmedatum: 31.3.2001 Live (Seoul Arts Center, Concert Hall)
Aufführungsdauer: *08'04
Ausgaben: Video: YouTube
Bem.: Nähere Angaben zu den Interpreten fehlen; stellenweise leider mäßige Klangqualität.